Dienstag, 21. September 2010

JUD SÜß - FILM OHNE GEWISSEN



Roehlers "Jud Süß"-Making-Of ist vielleicht das mutigste, was sich ein deutscher Regisseur im Historiengenre in letzter Zeit getraut hat. Zu schade, dass "Inglorious Basterds" früher ins Kino kam, so müssen sich die Macher wohl einige Anschuldigungen gefallen lassen, sie schwimmen im Fahrwasser eines Tarantinos, dabei wurden beide Filme fast gleichzeitig gedreht und als Inglorious Basterds" ins Kino kam, war "Jud Süß" schon abgedreht.

Naja, die weiteren Anfeindungen belaufen sich auf die typische Anklage der Geschichtsverfälschung, wobei, wie schon gesagt, das doch seit Tarantinos Film ohnehin nicht mehr gilt, oder wollen wir diesen Diskurs an der Nationalität des Regisseurs festmachen? Ich hoffe nicht!

Wo Tarantino den Historienfilm in einen Italo-Western packt, geht Roehler weitaus reflektierter vor. Der Film handelt schließlich von einem Propagandafilm, also inszeniert er seinen Film auch so. Roehlers Film ist ein Propagandafilm par excellence, für die andere Seite versteht sich, für die politisch korrekte, wobei die gar nicht so leicht abzustecken ist.
Er hält sich kaum an Fakten und konstruiert seinen Film zu einem manipulativen Melodrama, wo sich die anfänglich helfenden Nazis für Marian zum Ende hin als Monster entpuppen, ähnlich wie die Hauptfigur des Süß im Originalfilm.

Die Kinobilder sind künstlich entsättigt und wirken wie Parodien bekannter deutscher Geschichtsbilder. Die Schauspieler bewegen sich auf allen Niveaus. Bleibtreus Goebbels ist eine skurrile Figur, mit der Kraft des Overactings. Umso auffälliger wirken da Moretti und Gedeck, die ihre Rollen ernst nehmen.

Der Film bietet eine Unmenge an Angriffspunkten, einen Haufen Schwächen, doch es hier fällt es mir wirklich leicht nur den Gesamteindruck zu bewerten. Denn ohnehin präsentiert sich Roehlers Film als deutsches Kinomoment des Jahres, nicht aus qualitativer Sicht, sondern eher aus utilitaristischer.

Was dem Film wirklich schadet ist sein Schwebezustand zwischen Blockbuster und Autorenfilm. Roehlers "Jud Süß" scheitert vielleicht an dieser Unentschlossenheit. Ich wünschte mir er hätte sich mehr getraut und weniger auf die Passionsgeschichte seiner Hauptfigur gesetzt. Allerdings ist das, was er sich traut für einen Mainstream-Film schon sehr viel.

Wie schon gesagt, es fällt leicht den Film nicht zu mögen. Er ist radikal. Er entblößt das moderne Nazi-Kino from Germany als andere Form des Propagandafilms. Er ist eine bösartige und manchmal witzige Satire zwischen Porträt und Melodram, mit bösen Seitenhieben in die Rippen der damaligen Filmindustrie, Veit Harlan als schmieriger Mitläufer, Schauspieler als Karriere geiles Pack, Michelango Antonioni als "Jud Süß"-lobender Kritiker, Bad Ass Roehler!

Der Film hat eigentlich gar keine 7 Punkte verdient, doch er war die größte Überraschung auf der diesjährigen Berlinale. Letztendlich: Sehenswert!


Wertung: 7/10



"Jud Süß - Film ohne Gewissen"
BRD, 2010
Oskar Roehler
mit Tobias Moretti, Martina Gedeck, Moritz Bleibtreu



Ab 23. September nur im Kino!


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