Dienstag, 24. April 2012

ROSEMARY'S BABY


Alte Ängste in neuem Gewand, warum avancierte Roman Polanskis erste amerikanische Produktion zu einem Klassiker des Horrorfilms?

Rosemary Woodhouse (Mia Farrow) und ihr Mann Guy (John Cassavetes) ziehen in das berüchtigte Bramfordhaus, dass während der Jahrhundertwende für zahlreiche okkulte Vorfälle bekannt war. Die Wohnung ist wunderschön und die Nachbarn sind komisch aber freundlich, perfekt um eine Familie zu gründen. Eines nachts träumt Rosemary davon von einem nicht-menschlichen Wesen mit feuerroten Augen vergewaltigt zu werden. Als sie danach schwanger wird, fängt der Schrecken erst an.

Als Polanski von einem Produzenten das Buch von Ira Levin in die Hand gedrückt bekam, wusste er nicht, dass er die ganze Nacht mit Lesen verbringen würde. Eigentlich wollte Polanski einen anderen Film drehen, doch nach der Lektüre, war ihm klar: Dieses Buch muss verfilmt werden.

"Rosemary's Baby" ist eine sehr getreue Verfilmung des Romans, schon allein weil Polanski die Vorlage filmisch genug empfand. Nebenbei passte die Idee hervorragend in das bisherige Werk des Regisseurs, der zuvor "The Fearless Vampire Killers" und "Repulsion" gedreht hatte. Heute weiß man, dass "Repulsion", "Rosemary's Baby" und "Le Locataire" eine Trilogie bilden, die sich mit Paranoia in Wohnhäusern und der Verschwörung der Nachbarschaft auseinandersetzt.

1968 erschien "Rosemary's Baby" und war ein großer Erfolg, während er im Feulliton gespalten betrachtet wurde. Der "National Catholic Office for Motion Pictures" lehnte den Film wegen "Perversion fundamentaler christlicher Glaubensvorstellungen“ und „Verhöhnung religiöser Persönlichkeiten und Gebräuche“ ab. In Anbetracht von Polanskis weiterem Leben, liest sich "Rosemary's Baby" auch wie eine schreckliche Vorhersehung. Seine Frau Sharon Tate wurde später hochschwanger ermordet.

Heute gilt der Film als Beginn einer Reihe von "psychodelischen Horrorfilmen" wie "The Exorcist", "The Omen" und "Carrie". Dabei ist es sowieso interessant wie wegweisend und politisch "Rosemary's Baby" war. 1968, also schlichtweg dem Jahr des Umbruchs, ließ Polanski nochmal die alten Geister beschwören, also die Herrschaft der Alten, denn Guy und Rosemary, das junge Paar, werden in Polanskis Film von der älteren Gesellschaft assimiliert und für das Böse missbraucht. Darin steckt nicht nur ein Bild auf die Macht des Konservatismus, der mit aller Kraft versucht die Jugend am Fliegen zu hindern, sondern auch der Geschlechterkampf der 60er Jahre. Die Nachbarn, wie auch Guy, versuchen Rosemary klein zu machen, sie schwach und abhängig zu halten. Mia Farrow wirkt mit ihrer fragilen Gestalt wie geschaffen für die Rolle. Als sie nach dem Vergewaltigungstraum mit Kratzern am Leib erwacht, stellt sie Guy zur Rede, der gleichgültig entgegnet, dass er sich gestern nicht beherrschen konnte. Rosemary fehlt indes die Kraft sich dieser häuslichen Vergewaltigung zu stellen. Als sie mit einem neuen, modernen Kurzhaarschnitt nach Hause kommt, erntet sie von Guy nur Hohn, der die Frisur schrecklich findet, wahrscheinlich weil sie nicht den Rollenbildern entspricht. Es ist letztendlich auch der gesellschaftliche Druck als Mann ein erfolgreicher Ernährer zu sein, der womöglich Guy zu seinem Handeln treibt.

Darüberhinaus zeichnet Polanski eine Welt, die nach zwei Weltkriegen das Träumen verlernt hat. Die Moderne ist auf ihrem Höhepunkt. Es regieren Rationalität, Wissenschaftsglaube und Pharmazie. "God is dead!" tituliert das Time-Magazine, was Rosemary im Wartezimmer des Doktors findet. Doch stimmt das auch für den Teufel? Die letzte Rettung Rosemarys scheitert eben an dieser gottlosen Welt, weil ihr niemand glauben will, dass sie Opfer einer Hexenverschwörung ist, funktioniere oder schmore im Irrenhaus, liebes. Später schuf Nicolas Roeg mit "Don't Look Now" einen noch schärferen Abgesang auf die Moderne.

Der Kampf der Instinkte, die alte Welt gegen die neue, Intellekt und Körper, alles vermischt Polanski in seinem Film zu einem poetischen Alptraum. William Frakers unaufgeregte und klare Kameraarbeit findet völlig neue Bilder um das Okkulte und Vergangene einzufangen. Vorbei sind die historischen Nachbildungen viktorianischer Schreckensfilme wie "Dracula" oder "Frankenstein". Polanski nistet sie einfach in unseren Alltag ein, als Metaphern und Symbole einer repressiven Gesellschaft.

Rosemarys Versuche sich zu emanzipieren bleiben erfolglos, wobei Polanski damit kein Scheitern des Feminismus formulieren wollte, sondern viel eher eine Möglichkeit des Scheiterns aufzeigen. Auch wenn "Rosemary's Baby" als schwarzhumorige Satire endet und man nur Schmunzeln kann, wenn nette Omis "Heil Satan!" rufen, bleibt Rosemary eine tragische Figur, denn bei jedem Schnitt auf eine Nahaufnahme ihres Gesichts, verfliegt das Groteske. Sie ist eine Betrogene, ein Opfer, dass niemand ernst nimmt. Um den Schmerz zu bekämpfen, da ihr die Kraft fehlt sich gegen diese Übermacht des Bösen zu wehren, zieht sie sich zurück in ihre Rolle als Mutter, denn auch wenn das Kind eine entstellte Teufelsgeburt ist, so ist es immer noch ihr Kind. Sie schaukelt die mit schwarzen Tüchern behangene Wiege und Krystef Komedas "Lullaby" ertönt. Der Film endet dann mit der gleichen Einstellung wie er begann und der gesellschaftliche Umbruch scheitert an den ältesten Gesetzen der Natur.

Wertung: 9/10

"Rosemaries Baby"
US 1968
Roman Polanski
mit Mia Farrow, John Cassavetes, Ruth Gordon

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